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Das Weib schweige ... !?

  • Autorenbild: Lisa Holtzheimer
    Lisa Holtzheimer
  • 5. Mai 2020
  • 7 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 15. Mai 2020


Über das Thema der Stellung der Frau in der Gemeinde habe ich mir lange Gedanken gemacht. Ich selbst habe 20 Jahre lang in dem traditionellen Schema gedacht, das mir von vielen Seiten her beigebracht wurde.  In dieser Tradition, die von manchen Gemeinden gelebt wird, heißt es schnell, dass Frauen  in der Gemeinde nichts zu sagen haben (dürfen).  Doch irgendwann habe ich mich genauer mit diesem Thema auseinandergesetzt und begann, manches zu hinterfragen, was zwar die christliche Tradition so sagt, aber nicht unbedingt die Bibel. Darin sehe ich inzwischen an so manchen Stellen einen echten Unterschied - und dieses Thema ist eins davon.


Die Bibelstelle, die wohl am häufigsten dazu angeführt wird, dass Frauen in der Gemeinde nicht sprechen dürfen, ist wohl diese:

1 Korinther 14, 34ff "Die Frauen sollen in den Gemeindeversammlungen schweigen (griechisch: sigao). Es gehört sich nicht, dass sie sprechen (griechisch: laleo). ... Wenn sie Fragen haben, sollen sie zu Hause ihre Ehemänner fragen ..."


Doch ist die allgemeine evangelikal-konservative und oft christlich-traditionelle Interpretation dieser Stelle ziemlich aus dem Zusammenhang gerissen. Vor allem wird u. a. der kulturelle Hintergrund, in den Paulus dies hineinschreibt, wenig bis gar nicht beachtet.


Eigentlich sagt diese Stelle auch auf Deutsch schon aus, worum es wirklich geht, aber im Grundtext wird es noch deutlicher. Dort steht in Vers 34 "sigao" - und dies meint ein freiwilliges Schweigen, ein "sich still/ruhig verhalten". Es meint aber nicht das erzwungene Schweigen, also ein komplettes Redeverbot. Dies wäre das Verb "phimoo". Das steht dort aber nicht.


"Sigao wird gebraucht, als sich die Jünger entschlossen, über die Verklärung, die sie erlebt hatten, zu schweigen (Lukas 9, 36), und als Jesus sagte, die Steine würden schreien, wenn die Jünger schweigen würden.


Mit diesem Wort wird auch das Schweigen Jesu während seiner Gerichtsverhandlung (Markus 14, 61) und das Schweigen der Apostel und Ältesten beschrieben, als sie den Bericht von Paulus und Barnabas anhörten (APG 15, 12). Es bezeichnet eine bewusste und freiwillige Reaktion oder auch eine Bitte um Ruhe, damit eine andere Person reden kann (APG 12, 17). Gemeint ist also jene Art von Stille, die inmitten von Unordnung und Tumult nötig ist. (Zitat aus "Ohne Unterschied?" von M. B. Smith & I. Kern, S. 85)"


Das Wörterbuch zum NT (Bauer/Aland) übersetzt "sigao" mit: schweigen, stillschweigen, stille sein im Sinne von "sich still verhalten", zu reden aufhören, verstummen, seinen Mund halten.


Alle Übersetzungen des Wortes "sigao" sagen also etwas wesentlich Schwächeres aus als das, was viele Christen in das Wort hineinlegen. Keine Übersetzung des Wortes hat die harte, unwiderlegbare Befehls-Bedeutung des Wortes "schweigen", so wie es in der aktuellen deutschen Sprache gemeint ist.


Wenn man dazu den kulturellen Hintergrund der Zeit damals sieht und auch die relativ chaotischen Zustände in der Gemeinde in Korinth, an die dieser Brief ja geschrieben ist, ergibt sich eine ganz andere Aufforderung aus der Stelle, als wenn man (wie es leider getan wurde) dieses Wort nur mit "schweigen müssen" (als absoluten Befehl) übersetzt und damit meint: niemals, zu keiner Zeit, in keiner Situation und überhaupt jemals etwas zu sagen.


Das würde dem Kontext des gesamten Neuen Testaments diametral gegenüberstehen und dem, was Jesus gelehrt und gelebt hat, komplett widersprechen.


Vielmehr war es ja so, dass zur damaligen Zeit die Frauen meistens einen sehr viel geringeren Bildungsstandard hatten als die Männer. Sie hatten kaum "Allgemeinbildung", hatten im öffentlichen gesellschaftlichen Leben keinen Stellenwert und waren zumeist völlig abhängig von ihren Ehemännern. Auch im religiös-geistlichen Bereich waren Frauen damals ungebildeter. Deshalb haben in den sich neu bildenden Gemeinden (sicherlich nicht nur in Korinth) die Frauen oft nicht viel von dem verstanden, was der Redner erzählt hat.


Und sicherlich gilt das alles auch nicht nur für die Gemeinde in Korinth - aber an diese ist der Brief halt verfasst, und diese Gemeinde gilt auch als ziemlich chaotisch und ungeordnet (bekannter ist diese Tatsache u. a. durch die Anweisungen zum Abendmahl (1 Kor 11, 20ff) - die Gründe liegen ganz ähnlich). Die Frauen, die sich nun bekehrt hatten und mit ihren Männern zusammen den Gottesdienst besuchten (der vermutlich in Privathäusern stattfand), saßen nun plötzlich mittendrin im Geschehen und wussten aber aufgrund ihrer mangelnden Bildung nicht wirklich, um was es ging. Und weil sie es nicht besser wussten und kannten und vielleicht auch nicht eben gelernt hatten, wie man sich in öffentlichen Veranstaltungen benimmt, haben sie ihre Fragen, die sie hatten, direkt gestellt - und damit den Sprecher ständig unterbrochen. Zwischenrufe in diesen Gottesdiensten waren aus diesem Grunde nicht die Ausnahme, sondern die Regel.


Dass das aber natürlich nicht geht, sondern die Versammlung stört, ist klar, denn so kommt man mit einem Thema nie zu Ende und alle anderen Zuhörer werden nun auch noch verwirrt. Denn es war sicher nicht nur eine Frau in diesen Gottesdiensten, sondern viele - und der größte Teil von ihnen hatte dieselbe "Problematik": mangelnde Bildung, deshalb ein Nichtverstehen von vielen Dingen und ein direktes, sofortiges Nachfragen beim Sitz-Nachbarn.


Deshalb sagt Paulus, die Frauen sollen sich in der Gemeinde still verhalten und wenn sie Fragen zu dem Gesagten haben, später ihre Ehemänner (natürlich die [geistlich] gebildeten) fragen. Und das ist absolut gut und richtig - denn ansonsten ist keine vernünftige Lehre möglich.


"BRISTOW führt aus, dass die griechische Sprache dreißig verschiedene Wörter kennt, die mit "reden" übersetzt werden können - einige davon bedeuten verkündigen, sagen, sprechen, lehren. Wenn aber jemand sagen wollte: "Bitte stört das Gebet nicht durch lautes Reden", so musste er das Verb "laleo" wählen, und genau dieses Wort gebraucht Paulus hier. Da es in den Anweisungen von Paulus um Ordnung im Gottesdienst geht, ist es vollkommen einleuchtend, dass er darum bittet, keine Privatgespräche zu führen, so dass der Gottesdienst nicht durch lautes Gerede gestört wird. (Zitat aus "Ohne Unterschied", S. 86)"


Dass die Frauen mit ihren Fragen nun nicht jede Veranstaltung unterbrechen sollen, heißt aber nicht, dass sie zu keinem Zeitpunkt jemals etwas sagen dürfen - erst recht nicht, wenn sie selbst eine geistliche Bildung erworben haben. DANN dürfen auch sie sprechen, lehren und Gottes Wort weitergeben. An anderen Stellen spricht derselbe Paulus ja z. B. davon, dass Frauen ebenso wie Männer prophetische Worte von Gott bekommen, er spricht davon, wie Frauen sich verhalten sollen, wenn sie beten oder in der Gemeinde sprechen.


All das würde ja diesem "Befehl", immer, zu jeder Zeit und für alle Zeiten zu schweigen, völlig widersprechen.


Nicht zuletzt sollten wir mal genauer analysieren, wie Jesus eigentlich die Frauen gesehen hat, wie er sie behandelt hat und welche Stellung er ihnen gegeben hat. Gegenüber den damaligen Gebräuchen und kulturellen Gepflogenheiten hat er jede Struktur und jedes System durchbrochen und "auf den Kopf gestellt" und Frauen in einer Art und Weise behandelt (positiv), die zu der damaligen Zeit und in dem damaligen (sozialen und religiösen) System absolut undenkbar war.


Sehr deutlich wird dies u. a. an der Begebenheit, die von der "Frau am Jakobsbrunnen" erzählt (Joh. 4, 1 - 45). Die Weise, in der Jesus hier mit der Frau umgeht, widerspricht jeglicher damaliger jüdischer Tradition. Die Frau, die Jesus am Jakobsbrunnen trifft, war eine Samariterin - also nicht aus dem jüdischen Volk. Außerdem war sie eine Frau und er ein Mann. Und als Drittes war sie eine "öffentliche Sünderin". All diese Punkte sind für uns nach unserem heutigen Denken überhaupt nicht mehr relevant - deshalb wird uns die Brisanz und der so andersartige Umgang, den Jesus mit ihr pflegte, kaum bewusst.


Doch in der Zeit damals - vor gut 2000 Jahren im vorderen Orient - galten andere Regeln. Juden - das auserwählte Volk Gottes - gaben sich nicht mit anderen Völkern ab. Andere Völker waren meist Feinde Gottes, denn sie glaubten nicht an den einen, wahren Gott, sondern beteten Götzen an, hielten grausame Riten ab usw. In diesem Zusammenhang bekommt z. B. auch die Begebenheit des "barmherzigen Samariters" eine ganz andere Bedeutung, aber dazu ein anderes Mal.


Für den damaligen Umgang miteinander galt auch, dass Männer in der Öffentlichkeit nicht mit (fremden) Frauen sprechen durften. Zudem hatten Frauen in dieser Zeit - wie ja oben schon erwähnt - keinen großen Stellenwert in der Gesellschaft.


Und diese Frau war nun auch noch eine Sünderin. Sie lebte mit einem Mann unverheiratet zusammen - damals ein Ding der Unmöglichkeit. Das machte sie in dem Dorf, in dem sie lebte, zu einer Ausgestoßenen.


Aus diesem Grund ging sie auch in der heißen Mittagshitze zum Brunnen. Wasseranschlüsse im Haus gab es nicht - der Brunnen stand entweder mitten im oder aber außerhalb vom Dorf. Dieser war wohl außerhalb des Dorfes zu finden, wie aus dem Kontext herauszulesen ist. Normalerweise gingen die Frauen in den kühlen Abendstunden zum Brunnen, um Wasser zu holen. Diese Frau aber ging mittags - um den anderen Frauen nicht zu begegnen und damit vielfältigen Demütigungen aus dem Weg zu gehen. Sie rechnete nicht damit, zu dieser Tageszeit überhaupt einem Menschen dort zu begegnen.


Doch am Brunnen war Jesus. Und was tut dieser? Er spricht sie an! Schon alleine diese Tatsache war so ungewöhnlich, dass sie aufhorchen musste. Jeder jüdische Mann erkannte eine nichtjüdische Frau sofort als nicht seinem Volk zugehörig. Jeder "normale" Mann hätte einen großen Bogen um sie gemacht, um die Verachtung deutlich zu machen, die er für sie empfand. Klingt grausam, war aber Normalität damals. Außerdem sprach ja ein Mann in der Öffentlichkeit sowieso nicht mit einer Frau. Und das, was Jesus ihr dann sagte, hat sie komplett "umgehauen". Nachdem er sie zuerst gebeten hatte, ihr Wasser zu schöpfen, sagte er ihr Dinge, die kein Mensch hätte wissen und sagen können - er legt ihr quasi ihr ganzen Leben "zu Füßen", obwohl er ihr noch nie im Leben begegnet war. 


Darauf gehe ich jetzt inhaltlich nicht weiter ein, da es in diesem Artikel in erster Linie um seinen Umgang mit der Frau geht. Jesus behandelte sie mit Achtung, Würde und Liebe, wie einen "Menschen" (im Gegensatz zu allen anderen Männern - und wohl auch Frauen - in ihrem Dorf). Damit hat er klargestellt, dass es keinen Unterschied zwischen Männern und Frauen gibt, sondern beide gleichwertig sind vor Gott. Und für die damalige Zeit war dies ein absolutes Novum.


Lesen wir weiter an verschiedenen Stellen in der Bibel, wird immer wieder deutlich, dass Gott Frauen genauso wertvoll, würdig und begabt sieht wie Männer. Die Lehre, die in manchen sehr konservativen Kreisen vertreten wird, dass Frauen sich zurückzuhalten haben, ist also biblisch keinesfalls haltbar.


© Lisa Holtzheimer

1 comentário


Katharina Kopp
Katharina Kopp
01 de jun. de 2020

Vielen Dank für die Ausführungen. Über die Bibelstelle habe ich auch schon viel nachgedacht. Das war nochmal eine grundlegende Erklärung, die recht komprimiert das Wesentliche darstellt.

Curtir
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