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Glauben leben ohne Kirche?!

  • Autorenbild: Lisa Holtzheimer
    Lisa Holtzheimer
  • 3. Mai 2020
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 5. Mai 2020

Ich bin klein, mein Herz mach rein. Soll niemand drin wohnen als Jesus allein.


Mit diesem Gebet begann mein Lebenslauf als Christ. Meine Eltern haben es mit mir gebetet, als ich im Kleinkindalter war. Ein paar Jahre später wandelte sich mein allabendlicher Gebet, das ich auch noch sprach, als mich schon lange niemand mehr ins Bett bringen musste:


Müde bin ich, geh zur Ruh. Schließe meine Augen zu. Vater, lass die Augen dein über meinem Bette sein.


Gebete vor dem Mittagessen und dem Schlafengehen gehörten zu den täglichen Ritualen in unserer Familie.


Seit ich denken konnte, besuchte ich jeden Sonntag den Kindergottesdienst. Es folgten Konfirmandenunterricht, Mitarbeit im Kindergottesdienst, Konfirmation, Gitarrenunterricht ...


Die Kirche war mein zweites Zuhause, ich kannte jeden Winkel in dem Gebäude. Meine Eltern sangen im Kirchenchor, mein Vater war jahrzehntelang Mitglied im Kirchenvorstand. Ich selbst habe einige Jahre in der Kindergottesdienstarbeit mitgearbeitet und später Gitarrenunterricht in den Räumen der KIrche gegeben. Wir waren eine Vorzeigefamilie in der lutherischen Gemeinde und darüber hinaus auch in der ökumenischen Zusammenarbeit mit der reformierten, katholischen und Baptisten-Kirche im Ort bekannt „wie ein bunter Hund“.


Selbstverständlich erweitere sich mein Gebets-Wortschatz mit der Zeit. Doch eins hatten alle Gebete gemeinsam: Es waren vorgefertigte Verse, die man auswendig gelernt hatte – für mich klangen sie ähnlich wie die Sprüche, die man sich gegenseitig ins Poesiealbum schrieb.


Dabei glaubte ich an Gott. Fest sogar. Von Anfang an. Deshalb ging ich sonntags in die Kirche und sogar recht gerne in den Konfirmandenunterricht, obwohl auch ich nicht gerne ellenlange Texte von uralten Liedern, die 10 Gebote und das Inhaltsverzeichnis der Bibel auswendig lernte. Nicht zu vergessen die verschiedenen Gebetsverse.


Freie Gebete kannte ich nicht. Dass man mit Gott auch reden konnte, „wie einem der Schnabel gewachsen war“, hatte ich die ersten 25 Jahre lang meines Lebens nie gehört (siehePredigt "Dialog mit Gott").

Bis ich an einer christlichen Freizeit teilnahm. Dort lernte ich Menschen kennen, die so ganz anders mit Gott kommunizierten. Sie sprachen freie Gebete – laut (!) vor allen anderen. Auch das war neu für mich – außer den Mittags- und Nachtgebeten zu Hause kannte ich nur gemeinsam gesprochene Gebete in der Kirche. Seine innersten Gedanken und Wünsche mit Gott zu besprechen, hatte mir niemand beigebracht – schon gar nicht so, dass andere es auch noch hören konnten.


Zwei Wochen Freizeit in einem freikirchlich geführten Missionswerk brachten mein Leben ganz schön durcheinander. In dieser Zeit erfuhr ich zum ersten Mal, dass Gott ganz persönlich mit Menschen spricht. Und hier machte ich auch meine ersten Versuche, selbst ganz persönlich mit Gott zu sprechen – heimlich, still und leise in einer Keller-Spielecke für Kinder. Und Gott antwortete mir und brachte mich damit vollends aus der Fassung. Meine ersten zaghaften Schritte in ein ganz neues Leben mit Gott begannen in diesem Keller. Wieder zu Hause, schloss ich mich einer Baptistengemeinde an und ließ mich taufen. Zwei Jahre später begann ich eine theologische Ausbildung, arbeitete danach lange Jahre in einem Missionswerk.


Meine geistliche Entwicklung blieb nicht stehen. Gott zog mich weiter – über einige Umwege hinein in eine freie charismatische Gemeinde. Hier lernte ich, über den Tellerrand des „normalen evangelikal-konservativen“ Glaubenslebens hinauszuschauen. Ich kam in Berührung mit Geistesgaben, von denen ich bisher auch kaum gehört hatte – und wenn, dann oft in Form von Warnungen. Auch dies hatte ich ohne zu hinterfragen übernommen – schließlich wurde es mir von seriöser Seite her beigebracht.


Doch Gott hinterfragte mich. Immer wieder neu. Auch in dieser Gemeinde kam irgendwann „the point of no return“. Seit fast 10 Jahren gehöre ich gar keiner „klassischen“ Gemeindeform mehr an, sondern bewege mich als „freilaufender Christ“ in der Glaubenslandschaft und fühle mich einem freien charismatischen Gebetskreis zugehörig.


Dieser Kreis unter der Leitung von Frank Krause (www.hisman.de) hat keinerlei Ähnlichkeit mehr mit einem gewöhnlichen Gottesdient. Die Teilnehmer kommen aus ganz unterschiedlichen Strukturen – doch eins haben alle gemeinsam: Die Sehnsucht nach „mehr“. Und genau dieses „Mehr“ – Glauben (er)leben über das vielleicht jahrzehntelang Gekannte hinaus – macht den Unterschied. Was in Privathäusern begann, ist inzwischen aus dem Wohnzimmer herausgewachsen und hat an einem, manchmal zwei, Abend(en) in der Woche ein neues „Zuhause“ in einem Bürgerhaus gefunden – etwas abgelegen vom Ort, so dass es auch mal laut werden darf. Und das tut es! Lobpreis mit Instrumenten, Trommeln, Schofar und lautem Gebets-Gesang – meist in Sprachen – ist schon von außen zu hören. Einige tanzen dazu, andere sitzen nur auf einem Stuhl und nehmen das Ganze in sich auf oder sprechen still mit Jesus. Jemand kniet mittendrin, ein anderer legt sich lang auf den Boden. Jeder darf seine ganz persönliche Form des Gebets, der Anbetung, des Redens mit und Hörens auf Gott finden und (er)leben. Oft formen sich in diesem lang anhaltenden Gebetsgesang Worte, Eindrücke, Bilder. Erstaunliche Dinge hat Gott uns schon offenbart.


Doch es bleibt nicht allein bei einer „rein geistlichen“ Veranstaltung – Gemeinschaft, Austausch, gemeinsam essen und trinken gehören genauso dazu. Wir sind eine Familie, keine Organisation! Wir folgen keiner Religion, sondern wir folgen Jesus. Und das ändert alles – in der Form, im Umgang miteinander, in der Gestaltung! Niemand legt von vornherein Abläufe, Regeln oder Elemente der Treffen fest. Wir lassen uns überraschen von dem, was Gott von Mal zu Mal mit uns vorhat.


Im Laufe der Zeit hat Jesus uns mit weiteren, ganz ähnlich formierten, Kreisen in Verbindung gebracht. Überall in Deutschland scheint es sie zu geben – die kleinen, eher verborgenen Kreise, die sich nicht mehr zufriedengeben wollen mit immer demselben religiösen Einerlei. Menschen, in denen eine Sehnsucht erwacht ist, Gott ganz neu kennen zu lernen und zu erleben – nicht nur vom Hörensagen, sondern mit den eigenen (inneren) Augen.


Und es geht weiter! Inzwischen hat sich zweimal im Jahr eine kleine geistliche Konferenz etabliert, zu der Gäste aus anderen Kreisen kommen – beinahe jedes Mal wieder Mitglieder einer weiteren Gruppe irgendwo aus Deutschland oder auch Einzelpersonen, die auf oft erstaunliche Art und Weise den Kontakt zu uns gefunden haben. Die Konferenzen stehen unter einem Thema, z. B. „Das Vaterherz Gottes“, und werden ergänzt durch Gastsprecher und/oder -seelsorger, zu denen auch seit Jahren ein persönlicher, freundschaftlicher Kontakt besteht – ohne diesen wäre nichts von alldem möglich, was wir (er)leben. Freundschaft ist das „Zauberwort“.


All dies wurde erst möglich außerhalb der klassischen christlich-religiösen Strukturen, aus denen die meisten von uns kommen und in denen viele andere noch (fest)stecken. Erst, als ich mich auf die Entdeckungsreise „über den Tellerrand hinaus“ gemacht habe, habe ich Gott auf eine ganz neue, sehr viel persönlichere, Weise kennen gelernt. Und diese Entdeckungsreise ist noch nicht zu Ende – sie wird mindestens bis zum Ende meines Lebens weitergehen …


Lisa Holtzheimer

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