Dialog mit Gott
- Lisa Holtzheimer
- 3. Mai 2020
- 7 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 5. Mai 2020
Ich bin schon ziemlich lange Christ. Ich habe vor vielen Jahren eine theologische Ausbildung an einer Bibelschule gemacht und dort viel gelernt. Ich habe gelernt, wie ich die Bibel auslegen kann, ich habe gelernt, wann bestimmte Menschen gelebt haben, ich habe viel über die historischen Hintergründe gelernt. Ich habe wirklich viel gelernt. ... und auch vieles wieder vergessen ...

Das ist jetzt fast 30 Jahre her, und Christ bin ich noch viel länger. Man sollte also meinen, ich müsste in allem, was Glauben und Gott betrifft, eine Art Profi sein. Vielleicht wirkt es nach außen manchmal so, aber ich selbst empfinde mich überhaupt nicht als „Profi-Christ“. Beinahe im Gegenteil ...
Denn ich habe zwar in meiner Ausbildung viel theoretisches Bibelwissen, Auslegungswissen usw. gelernt – eins aber fehlte mir lange Zeit, und das habe ich in dieser Ausbildung nicht gelernt – nämlich, was es heißt, eine wirkliche persönliche Beziehung zu Jesus zu haben. Klar, dass man als Christ betet, musste man mir nicht sagen – und natürlich habe ich das auch getan. Aber viele Jahre lang hatte ich keine Vorstellung davon, was das wirklich heißt. In der Gemeinde, in der ich war, habe ich auch eher „sachliche“ Gebete gehört, und diese Art zu beten, kam auch mir sehr nahe. Meine Gebete hätten auch Geschäftsbriefe sein können, Anrede: Sehr geehrter Herr Jesus ... Zu einem Geschäftspartner hat man nun aber im Allgemeinen keine persönliche, freundschaftliche Beziehung – schon gar keine lebensverändernde. So aber sollte die Beziehung zu Jesus doch eigentlich aussehen ... Das Schlimmste aber war vielleicht, dass ich viele Jahre lang selbst gar nicht gemerkt habe, wie sachlich meine Beziehung zu Jesus war – sachlich wie zu einem Fremden.
Vor ein paar Jahren kam ich mit Leuten in Berührung, die eine ganz andere Form von Kontakt mit Jesus hatten. Zuerst habe ich das nur gespürt und konnte es nicht wirklich einordnen. Mit der Zeit hat sich genau dieses Gespür aber mehr und mehr in Unzufriedenheit geäußert. Ich würde unzufrieden mit meinem eigenen Umgang mit Gott – vielleicht sollte ich auch besser sagen, mit meinem „Nicht-Umgang“, denn die sachliche Art und Weise, aus der mein Gebetsleben bestand, war eigentlich kein echter Umgang. Stille Zeit ist bei mir häufiger unter den Tisch gefallen, als dass ich mich dazu aufraffen konnte – das schlechte Gewissen deshalb aber hat sich ständig gemeldet.
Nun lernte ich Menschen kennen, die mit Jesus ganz anders umgingen als ich es kannte. Schon die Wortwahl ihrer Gebete war vollkommen anders als das, was ich so im Laufe meines Christenlebens meistens gehört und eben auch mir angeeignet hatte. Die Gebete, die ich jetzt hörte, klangen oft genug ganz und gar nicht „fromm“. Dafür aber persönlich. Ich habe sehr schnell sehr genau gespürt, dass diese Leute ganz selbstverständlich davon ausgingen, dass Jesus jetzt und hier neben ihnen steht oder sitzt, und dementsprechend haben sie mit ihm gesprochen, als wenn ein Freund neben ihnen sitzt. Zuerst hat mich das nur erstaunt, aber ziemlich schnell auch sehr fasziniert. Und in mir ist eine große Sehnsucht geweckt worden – so eine Beziehung zu Jesus will ich – endlich – auch!
Nun ging das nicht von jetzt auf gleich – meine Beziehung und mein Gespräch mit Gott war nicht plötzlich auf einen Schlag neu und anders. Schön wär’s gewesen ... Nein, das ging – und geht immer noch – ganz langsam. Es ist, als wenn ich ein neues, bisher völlig unbekanntes Land, entdeckt hätte, das ich langsam und nach und nach immer mehr erkunde – jeden Tag einen Schritt weiter mit der Neugier, was ich heute entdecken werde. Es ist ein riesengroßes Land, und ich habe die Grenze gerade erst überschritten. Um an die Grenze am anderen Ende zu gelangen, werde ich mein ganzes Leben brauchen. Jeder wird sein ganzes Leben dazu brauchen, dieses Land zu erkunden, alle seine Geheimnisse zu entdecken und die Schönheiten der Natur und die Sonne darin zu genießen.
Jesus sagt zu uns: Kommt her zu mir, alle ihr Mühseligen und Beladenen! Und ich werde euch Ruhe geben (Mt 11, 28).
Das ist genau die Erfahrung, die ich mehr und mehr mache, seitdem ich mich auf eine ganz neue Beziehung zu Jesus eingelassen habe. Das klappt längst noch nicht immer so, wie ich mir das wünschen würde – und wie Jesus es sich wünscht. Aber ich lerne und komme vorwärts in diesem neuen Land.
Jesus möchte, dass wir jeden Tag zu ihm kommen. Zu ihm kommen – das weiß ich inzwischen – heißt nicht, sich morgens mal kurz hinzusetzen, 10 min. Stille Zeit machen, ein paar Bibelverse lesen, noch zwei Minuten beten (Jesus, hilf mir durch diesen Tag – oder so ähnlich ...). Zu Jesus kommen heißt vielmehr, ihn in alles mit einbeziehen. Ihn um Rat zu fragen und auch auf seine Antworten hören! Das ist es, was mir – immer noch – am schwersten fällt. Hören auf Jesus – ihn wirklich verstehen und wahrnehmen. Aber es wird besser.
Als ich anfing, mich ganz neu auf diese Beziehung mit Jesus einzulassen, war mir überhaupt nicht klar, wie ich Jesus wirklich hören kann. Ich meine jetzt nicht das, was wir wahrscheinlich alle kennen, in der Bibel lesen und hier Antworten auf vieles zu finden. Das ist natürlich legitim, richtig und wichtig. Aber es gibt noch mehr! Jesus will nicht nur durch sein Wort zu uns sprechen, sondern er will ganz persönlich mit uns sprechen.
Als ich diese Erfahrung zum ersten Mal gemacht habe, war ich fasziniert und überwältigt. Dass Jesus tatsächlich ganz persönlich mit mir spricht, direkt in mein Leben hinein, in meine persönlichsten Situationen hinein (die eben nicht immer alle detailliert in der Bibel stehen ...) – das hat mich beinahe umgehauen.
Nun bin ich jemand, der sehr aktiv ist, immer 100 Dinge gleichzeitig tut und sich sehr schwer tut, sich einfach mal hinzusetzen und auf Gott zu hören. Das klappt bei mir beinahe nie, auch beim Spazierengehen funktioniert das nicht wirklich. Meine Gedanken lassen sich noch zu leicht ablenken, und schneller als mir lieb ist, bin ich ganz woanders und nicht mehr bei Jesus. Das verletzt ihn zwar, aber er wird niemals jemanden zwingen, mit ihm zu sprechen. Ich selber aber bin höchst unbefriedigt, wenn es so läuft, denn das ist ja nicht das, was ich will. Vielleicht bin ich auch einfach noch nicht geübt genug darin, seine Stimme wirklich auch dann zu hören, wenn um mich herum viel passiert.
Darum habe ich für mich eine Weise herausgefunden, die mir hilft, dran zu bleiben am Gespräch mit Jesus. Meine Leidenschaft ist der Computer. Den Großteil des Tages verbringe ich am Rechner – beruflich ebenso wie privat. Und diese Leidenschaft habe ich mir zunutze gemacht. Das ist nun natürlich mein Weg, der mir hilft – das heißt nicht, dass dieser Weg der einzige und richtige ist. Aber mir hilft es ungemein, mich an den Computer zu setzen und mit Jesus zu „chatten“. Wahrscheinlich weiß jeder, was chatten ist – normalerweise kann man auf diese Weise im Internet mit jemand anders direkt kommunizieren, ohne auf den „Umweg“ eMail zurückgreifen zu müssen.
Und ähnlich mache ich es mit Jesus. Natürlich nicht im Internet, das braucht es dazu nicht, sondern ganz normal in einem Textverarbeitungsprogramm. Ich setze mich an den Rechner und fange einfach an, meine Gedanken aufzuschreiben – als würde ich Tagebuch schreiben. Ist es ja auch irgendwie. Man könnte es auch Gebetstagebuch nennen. Ich nenne es aber lieber „Chat“, weil es letztlich eben nicht nur beim Aufschreiben meiner Gedanken bleibt. Entweder formuliere ich irgendwann auch direkt Fragen an Jesus, oder er schaltet sich auch ohne direkte Frage ein.
Und dann wird aus dem reinen Gedanken aufschreiben ein Dialog. Plötzlich formieren sich Gedanken in mir, die nicht mehr meine Gedanken sind. Plötzlich schreibe ich Dinge, die unmöglich aus meinem Denken entsprungen sein können.
Als mir das das erste Mal „passierte“, war ich fasziniert und verunsichert zugleich. Mir war klar, dass das, was ich schreibe, eigentlich nicht das ist, was ich normalerweise denke. Gleichzeitig war es aber auch total meine „eigene“ Sprache. Mit anderen Worten – die Form war meine, der Inhalt aber nicht. Konnte es wirklich sein, dass Jesus hier anfing, auf diese Weise mit mir zu reden? Anfangs war ich da nicht so sicher, es klang mir vieles eben zu sehr nach mir selbst.
Einen Vorteil hat aber dieses Chatten eben auch – alles ist aufgeschrieben und man kann es nachlesen. Und als ich dann einen Tag später genau das getan habe, erschien es mir schon nicht mehr so ganz unwirklich. Und ich bin dran geblieben. Nicht jeden Tag – leider klappt das immer noch nicht so, wie ich es mir wünsche, aber immer öfter und immer besser. Anfangs waren die Teile im „Jesus-Chat“, die seine Antworten waren, noch sehr kurz. Inzwischen sind meine eigenen Gedankenanteile immer kürzer und sein Reden wird immer mehr.
Möglich, dass mein Hören einfach besser wird – aber auch sein Umgang mit mir passt sich meinen persönlichen Möglichkeiten an. Jesus überfordert niemanden, und am Anfang hätte es mich überfordert, wenn ich plötzlich drei Seiten geschrieben hätte, die nicht meine eigenen Gedanken gewesen wären. Jesus geht sanft und vorsichtig mit uns um. Als ich ihn ganz am Anfang mal gefragt habe, ob das denn wirklich sein könnte, dass dies wirklich seine Worte sind und dass ich mir eher vorkäme, als würde ich in einem Buch einen Dialog zwischen zwei Personen schreiben, war seine Antwort: „Genau das ist es doch. Ein Dialog zwischen zwei Personen. Ich nehme sogar Rücksicht auf deine Tippfehler und rede so langsam, dass du mitschreiben kannst. Es ist ein Dialog, denn ich bin eine Person!“
Inzwischen kommt mir das nicht mehr so komisch vor und ich lerne langsam, seine Stimme besser zu hören und zu verstehen.
Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir (Joh 10, 27).
Genauso geht es mir. Ich lerne die Stimme meines Hirten immer besser kennen, lerne, sie zu unterscheiden von vielen anderen Stimmen, die in mir sind und auch etwas zu sagen haben wollen. Immer noch bin ich oft unsicher, ob es denn wirklich sein kann ... Dazu hat Jesus mir gesagt, dass ich auch mir selber besser vertrauen darf und soll. Er redet in meine Gedanken, er hat diese Gedanken in mich hineingelegt, und wenn ich immer und immer wieder daran zweifle, ob das denn überhaupt möglich ist (weil ich mich nicht als würdig genug dafür empfinde), dann beleidige ich ihn damit auch ein Stückweit. Er aber will, dass wir als seine Kinder ein gesundes Selbstbewusstsein haben – kein arrogantes, überhebliches Selbstbewusstsein, sondern ein gesundes. Denn in uns lebt der König, wir sind die Wohnung seines Heiligen Geistes, und durch diesen spricht er zu uns – direkt in unsere Herzen, in unsere Gedanken.
Ich möchte euch ermutigen, euren ganz persönlichen Weg zu finden, mit Jesus zu sprechen. Nicht für jeden ist das Chatten die beste Methode, aber für jeden gibt es eine beste Methode. Mach dich auf – ganz persönlich – und finde diesen Weg, der für dich der beste ist, mit Jesus ins Gespräch zu kommen. Und vergiss nicht, ihn zu fragen, welcher Weg für dich der beste ist. Und wenn du auf einmal einen Gedanken hast, der dir seltsam bekannt und gleichzeitig merkwürdig fremd vorkommt – dann höre noch einmal genauer hin, denn dann spricht Jesus mit dir!
(c) Lisa Holtzheimer
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